
Schubladendenken
Menschen (BDSM´ler) sind ein komisches Völkchen.
Ach ja, diese wunderbare Schubladenwelt! Es scheint, als müssten heutzutage wirklich
alle und jeder einzelne noch so kleine Fitzel in eine eigene, superexklusive Schublade
gesteckt werden, sonst fühlen sie sich ja total unwohl. Man, ist das nicht herrlich
anstrengend? Einfach nur zum Gähnen.
Und dann erst dieses phänomenale Gendern! Ich meine, schon beim harmlosen Ausfüllen
eines Profils wird man quasi gezwungen, sich mit einer ellenlangen Liste von Eigenschaften
zu versehen, die man vorher noch nicht mal kannte. Kürzlich stolperte ich über ein Profil,
wo jemand sich als „Poly-Bi-Sexueller-BDSM-Brat-Switcher-Gender-neutraler-nicht-rassistischer-Mensch“
bezeichnet. Holla, mein Kopf explodiert! Wer hat da wohl das Konfetti für die Doktorarbeit
geworfen?
Aber hey, das ist ja noch lange nicht alles. Im BDSM entstehen natürlich auch die
exquisitesten Schubladen! Früher gab’s einfach „Dominat“ (ja, bitte richtig geschrieben),
heute heißt das bestechend simpel „Top“. Der liebe Devote ist natürlich der allseits
beliebte „Bottom“, aber wehe, du bist frech, dann bist du eine „Brat“. Und falls du
eine Brat zähmst, so nennt man dich glorreich „Brat Tamer“. Oh, wie poetisch!
Also, wenn wir mal bei mir bleiben – laut dieser Schubladenkarawane bin ich jetzt
offiziell ein „Bi-sexueller-Brat Tamer-Rigger-Top-der Gender-neutrale-sadistische-Monster“.
Wenn ich das alles so auf eine Visitenkarte drucken lassen würde, bräuchte ich
mindestens zwanzigmal ausklappbare Seiten! Und ich bin mir sicher, ich habe noch
locker hundert weitere Schubladen verpasst, in die ich entweder irgendwie gesteckt
oder aber glasklar ausgeschlossen werden muss. Man möchte ja schließlich alles
richtig machen!
Für mich persönlich klingt das eher nach einem nostalgischen Museumsstück:
„Der gute alte Dom, der devot ist, sadistisch oder masochistisch, Mann oder Frau.“
Punkt. Ach ja, und natürlich anerkenne ich, dass es Bisexuelle, Heteros, Lesben
und Schwule gibt. So schön einfach kann’s doch sein, oder?
Aber gut, vermutlich ist das nur meine altmodische Sichtweise von gestern,
während der Rest der Welt schon längst eine unübersichtliche, fortwährend
wachsende Schubladen-Universum-Galaxie bewohnt, in der jeder auf seine
17-Sekunden-Rolle wartet. Popcorn bereitstellen, es wird spannend!
Ach ja, die glorreiche heutige Zeit, in der es quasi schon zum guten Ton gehört,
sich in die absurderweise immer kleiner werdenden Schubladen der Welt pressen
zu lassen! Und ich sitze da und merke ganz eindrucksvoll, wie unfassbar kompliziert
es mittlerweile geworden ist, überhaupt noch normale Menschen kennenzulernen.
Will sagen: Wo ist bitte der „Bi-sexuelle-Brat Tamer-Top-Gender-neutrale-sadistische-Stammtisch“?
Ach ja, genau, den gibt’s gar nicht. Hätte mich ja auch gewundert!
Manchmal weiß ich wirklich nicht, ob ich darüber lachen oder einfach nur heilfroh sein soll,
dass das Jahr 2023 bald vorbei ist. Was für ein Fest! Philosophieren könnte ich hier ewig
und dabei noch mindestens ein Dutzend neuer, schick klingender Klassenbezeichnungen
erfinden. Aber ehrlich gesagt habe ich gerade keinen Bock mehr, mich in diesem
Schubladen-Wahnsinn weiter zu verlieren.
Was mich aber immer wieder zum Grübeln bringt: Warum zum Henker soll ich mich freiwillig
in diese bekloppten Schubladen pressen lassen, wenn ich doch eigentlich gar keinen Bock
auf diesen ganzen Schnickschnack habe? Ich will einfach eine klare, simple Rollenverteilung,
so oldschool, wie’s nur geht, ohne das ganze Drama drumherum. Alles andere? Lächerlich.
Total. Einfach nur noch anstrengend.
Mittlerweile habe ich kapiert: Dieses ganze „Ich-gehöre-hier-hin-und-nicht-dort-hin“-Gehopse
bremst mich aus. Es schränkt mein Denken, Handeln und Tun so sehr ein, dass ich mich
manchmal frage, ob ich dabei eigentlich noch ich selbst bin oder nur ein wandelndes
Bibliotheksregal an Schubladen.
Aber! Keine Sorge, ich will hier niemandem die bunte Schubladenparty vermiesen. Jeder darf
sich gern als was auch immer bezeichnen, was einem das Herz erwärmt. Leben und leben lassen.
So weit, so schön. Nur klappt das halt irgendwie kaum, denn jeder sucht fleißig nach seiner
eigenen perfekt zugeschnittenen Schublade, um darin dann brav sein Dasein zu fristen.
Spoiler: Je mehr Schubladen wir anhäufen, desto kleiner wird der Aktionsradius.
Und schwupps, plötzlich ist man nicht mehr der schrille Exot, sondern, Trommelwirbel
einfach nur ein ziemlich einsamer Idiot.
Aber hey, jedem das Seine und Hauptsache glücklich, oder? Für mich jedenfalls heißt das:
Mein Schubladen-Wirrwarr wandert jetzt flugs in den Papierkorb, zumindest bis auf ein paar
wenige Ausnahmen, die tatsächlich Sinn machen. Eine richtige Entrümpelungsaktion!
In diesem Sinne: Schubladen zu, Luft raus und einfach mal wieder frei atmen!
Komplizierter und Komplexer werden die Schubladen je verschachtelter sie in den Schränken sitzen. Der Blick der meisten Menschen geht oft nur bis zum Tellerrand nicht darüber hinaus. Ich habe eine große Schublade. Schublade Mensch, aber ich selbst bin so vielseitig, dass ich nicht in die meisten Schubladen passe und auch gar nicht passen will. Ich kann mich selbst auch nicht kategorisieren. Brat ist für mich Zicke, zickige Züge habe ich auch manchmal, aber die sind dann echt und nicht nur sexuell. Bin ich jetzt, weil ich auch mal zickig bin ein Bratdings? Wenn ich Frauen erotisch finde, bin ich dann bi/oder biinteressiert, weil ich auch auf Männer stehe? Also muss ich jetzt schauen nach den Gesuchen anderer Menschen und wäge ab ob ich in das Suchschema reinpasse bevor ich frage? Lasse ich mich durch meine Gedanken schon in Schubladen stecken? Dann lieber doch nen Schrank mit Schiebetüren ohne Schubladen, dafür viele neue Erfahrungen und neue Bestückungen im Schrank die das Innenleben bereichern. Ich bin ein Mensch und da jeder Mensch ein Unikat ist, kann ich noch soviele Schubladen öffnen und schließen, perfekt reinpassen, passt mir nicht.
Komplizierter und Komplexer werden die Schubladen je verschachtelter sie in den Schränken sitzen. Der Blick der meisten Menschen geht oft nur bis zum Tellerrand nicht darüber hinaus. Ich habe eine große Schublade. Schublade Mensch, aber ich selbst bin so vielseitig, dass ich nicht in die meisten Schubladen passe und auch gar nicht passen will. Ich kann mich selbst auch nicht kategorisieren. Brat ist für mich Zicke, zickige Züge habe ich auch manchmal, aber die sind dann echt und nicht nur sexuell. Bin ich jetzt, weil ich auch mal zickig bin ein Bratdings? Wenn ich Frauen erotisch finde, bin ich dann bi/oder biinteressiert, weil ich auch auf Männer stehe? Also muss ich jetzt schauen nach den Gesuchen anderer Menschen und wäge ab ob ich in das Suchschema reinpasse bevor ich frage? Lasse ich mich durch meine Gedanken schon in Schubladen stecken? Dann lieber doch nen Schrank mit Schiebetüren ohne Schubladen, dafür viele neue Erfahrungen und neue Bestückungen im Schrank die das Innenleben bereichern. Ich bin ein Mensch und da jeder Mensch ein Unikat ist, kann ich noch soviele Schubladen öffnen und schließen, perfekt reinpassen, passt mir nicht.