Ist BDSM noch BDSM

Gedanken die ich habe ohne Ende.

Endlich mal genug Energie für einen neuen Artikel!
(Man munkelt, ich hätte inzwischen mehr Ausdauer als der Kaffee in meiner Tasse.)
Dass das Ganze plötzlich zur Kolumne mutieren würde, tja, wusste ich beim ersten
Satz noch nicht. Aber wenn das Leben dir Zitronen gibt, dann schreib halt eine
Kolumne draus, oder?

Seit Wochen spukt mir da ein Artikel von einer bestimmten Facebook-Seite im Kopf herum.
Wer das Original nachlesen möchte, Titel: „Dom sein oder Fachidiot keeps walking.“
Klang für mich zunächst wie ein verlorenes Beatles-Album, ist aber leider pure Szene-Realität.

Das Traurige, oder je nach Laune auch unfreiwillig komische: Der Autor hat leider recht.
Denn so wie sich die BDSM-Kultur in den letzten 20 Jahren gemausert hat, kriegt selbst
die Pubertät Konkurrenz. Und das, haltet euch fest, ist nicht ausschließlich die Schuld von
„50 Shades of Fucking Gray“. Klar, dadurch haben plötzlich jede Menge Menschen Lust
bekommen, mal die Grenzen auszuloten… und, Überraschung, auch sehr viel Fantasie
nach außen gekehrt (und manchmal fragwürdige Vorstellungen, was mit Kabelbindern
so alles geht).

Ehrlich, der Bestseller war für die Szene irgendwie Fluch und Segen zugleich: Positiv,
weil endlich mehr Leute zur dunklen Seite…äh, ins BDSM gefunden haben. Aber der
Nachteil? Plötzlich brauchte jeder Dom, der etwas auf sich hielt, für die Karriere neben
Peitsche und Equipment, einen eigenen Helikopter auf dem Dach. Und vermutlich auch
gleich noch eine technische Ausbildung samt Führerschein C für die Gerätschaften im
heimischen Spielzimmer.

Aber mal Spaß beiseite (kurz zumindest): Fakt ist, heute reicht es kaum noch, Dom oder
Sub „zu sein“. Man muss inzwischen ein echter Fachidiot sein. Sitzungen ohne korrekte
Fachterminologie? Undenkbar. „Entschuldigung, meinst du jetzt Mindfucking, Edgeplay
oder Rubberdingsda?“ Zum Glück schreibe ich einen Anfänger-Blog, da reicht es, wenn
ich wenigstens die wichtigsten Begriffe von A bis „
Trampling“ erklären kann.
Trotzdem stoße selbst ich hin und wieder an meine Sprachgrenzen, wer braucht schon
einen Bachelor in Domsprache, solange der Humor nicht auf der Strecke bleibt?

Tja, so ist das eben. Willkommen im Zeitalter, in dem „Fachidiot keeps walking“ mehr
Hipster-Anerkennung bringt als der beste Schwung mit der Gerte. Bleibt nur zu hoffen,
dass nicht irgendwann eine amtliche Prüfung zum „BDSM-Experten (m/w/d)“ eingeführt
wird. Ich würde jedenfalls schon mal vorsorglich Kaffee und Kekse bereithalten,
für den Theorie-Teil.



Wenn man mich jetzt fragen würde, wie der neueste Hightech-Einlauf in der Welt
der Klinik-Spiele funktioniert oder wie der sagenumwobene Harakiri-Knoten im
Bondage aussieht, ja, sorry, da würde selbst ich mit großen Augen ins Leere
starren. Und bitte, lasst die Finger von Google, bevor sich noch jemand am
„Harakiri-Knoten“ aufhängt, wörtlich oder metaphorisch.

Natürlich begeistere ich mich für viele Spielarten im BDSM. Na gut, vor allem
für die Themen, bei denen ich nicht sofort meine gesamte Hausapotheke
zücken muss. Klar, manchmal lerne ich dabei erstaunlich viel und manchmal
schalte ich sogar freiwillig meinen eigenen Kopf ein, ganz entgegen dem Zeitgeist.

Und was soll ich sagen: An meinen E.W.P-Abenden erkläre ich tatsächlich
haufenweise Techniken, Begriffe und allerlei Gedöns. Allmählich frage ich mich
wirklich, ob ich jetzt schon im Elite-Club der Fachidioten angekommen bin…?
PS: E.W.P steht für „Extrem Weiterbildungs Party“ oder vielleicht auch nicht.
Herausfinden könnt ihr es hier, was nu E.W.P ist.

Wobei, das Schöne daran: Man merkt bei solchen Anlässen ziemlich schnell,
mit wem man es zu tun hat. Leider ist das Resultat oft ein sanftes Pieksen
der Ernüchterung. Es ist eben nicht so einfach, beim Kennenlernen das
perfekte Gegenstück zu finden, das nicht nur mit den Worten „Bondage“
und „Brat“ jonglieren kann, sondern auch das kleine Einmaleins der
Fachidiotie aufsagen könnte.  Angesichts dessen bin ich kurz davor, ein Quiz
auf diese treffen einzuführen: Wer fünf BDSM-Begriffe falsch erklärt, hält sein
Poppes als Erstes hin und jeder darf einmal druff hauen.

Besorgniserregender finde ich allerdings, dass viele in der Szene doch ziemlich
waghalsig unterwegs sind. Da wird mit Enthusiasmus gewürgt, geatmet,
geschlagen, ohne Handbuch, doppelten Boden oder auch nur einen Hauch
Ahnung. Offenbar ist „Gefährliches Halbwissen“ der neue Kick, während der
gesunde Menschenverstand draußen Pause macht.

Kleiner Tipp: Manchmal, aber nur manchmal! Wäre ein Hauch Fachidiotie
vielleicht doch nicht so verkehrt, zumindest wenn Organe und Knochen im
Spiel sind.

Zum Abschluss dieser heiteren Fachidioten-Kolumne noch ein Satz aus meiner
Ausbilder, der immer passt, egal ob Dom, Sub oder verwirrter Einlauf-Fan:

„Wissen ist Macht. Nix wissen macht… auch nix. Vielleicht nur blau, grün
oder im Idealfall bewusstlos.“

In diesem Sinne: Bleibt neugierig, googelt mit Bedacht, macht keine
Harakiris ohne Sicherheitsnetz und erzählt mir doch mal aus eurem
eigenen Fachidioten-Alltag unten in den Kommentaren. Vielleicht kann
ich ja noch was lernen. Oder wenigstens lachen.

Bis dahin: Auf zur nächsten Kolumne!

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