
Zweifelnde Gedanken
Wenn Grenzen und Werte leider vergessen werden.
Ich habe schon lange nichts mehr geschrieben, es wird wirklich höchste Zeit,
das jetzt nachzuholen. Doch diesmal fällt es mir nicht leicht. Was mich in den
vergangenen Monaten beschäftigt, ist schwer in Worte zu fassen, denn ich
erlebe immer häufiger die Schattenseiten des BDSM. Und je mehr ich sehe,
desto mehr bin ich zutiefst entsetzt und betroffen.
Vor meinen Augen tun sich so manches Mal Abgründe auf: Menschen, die
einander wie Wegwerfprodukte behandeln, austauschbar per Mausklick,
entsorgt im digitalen Niemandsland. Es reicht schon längst nicht mehr,
nur den Kopf zu schütteln. Ich ertappe mich stattdessen immer öfter dabei,
wie ich an mir selbst zweifle. Vielleicht liegt es an meinen eigenen Gedanken,
vielleicht lösen bestimmte Erfahrungen und Beobachtungen diese
Unsicherheit aus. Es ist, als ob ich vor lauter Verständnislosigkeit den Boden
unter den Füßen verliere.
Ich bin eigentlich gern im Austausch, offen, hinterfrage vieles, dieses
„Warum? Wieso? Weshalb?“ begleitet mich seit jeher. Gerade, weil ich
eben nicht blind durch die Welt laufe, sondern auch als Dom
Verantwortung spüre, frage ich mich inzwischen immer öfter:
Mache ich etwas falsch? Bin ich zu idealistisch? Zu menschlich?
Dann lese ich zum Beispiel von einer Sklavin, die mit ihrem Dom herzlich
lacht, Spaß hat, aufblüht, sogar ihren besten Freund in ihm gefunden hat.
Nur ist sie eben und das bricht mir das Herz, eine von drei Sklavinnen.
Und noch schlimmer: Sie ist ein Geheimnis, eine „versteckte“ Sklavin,
von der niemand wissen darf. Ob das richtig ist, will ich gar nicht beurteilen,
mir steht das nicht zu. Aber es macht mich traurig und sprachlos.
Und dann stoße ich auf Geschichten, in denen ein Dom seine Sub immer
wieder ignoriert und das tatsächlich als Bestrafung versteht. Ich kann es
einfach nicht begreifen. Ist BDSM nicht gerade das Gegenteil davon?
Basiert es nicht auf Vertrauen, Geborgenheit, darauf, dass man sich fallen
lassen kann? Wo liegt da die Grenze zwischen Achtung und Missachtung?
Ich frage mich, ob ich irgendetwas übersehe, fehlerlos bin ich sicher auch
nicht. Aber es schmerzt, so etwas zu lesen.
Und als wäre das alles nicht genug, erhalte ich vor ein paar Wochen ein Bild
von einer Sklavin. Sie schickt es mir voller Stolz, doch als ich es am PC öffne,
läuft mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Sprachlos starre ich auf den
Bildschirm, ringe nach Worten und bleibe zurück, mit nichts als Entsetzen und
einer tiefen, schwer wiegenden Enttäuschung.
Schockiert und zutiefst entsetzt halte ich inne, ein Bild, das sich mir da gezeigt hat,
lässt mich fassungslos zurück. So etwas habe ich, in all den Jahren, die ich schon
BDSM ausübe, noch nie gesehen: ein Rücken, ein Hintern, gezeichnet von Schlägen,
tiefviolett, durchzogen von Striemen, die in klaffende, blutende Wunden übergehen.
Das Blut läuft die Beine hinab, tropft auf den Boden. Noch niederschmetternder ist
die Tatsache, dass es sich bei der Frau auf diesem Bild um eine Anfängerin handelt.
Eine, die auf diese Weise zum ersten Mal BDSM erleben muss. Mir läuft es eiskalt
den Rücken hinab, wenn ich mir vorstelle, wie das für sie gewesen sein muss.
In solchen Momenten frage ich mich: Habe ich als jemand, der seit fast drei
Jahrzehnten BDSM lebt und liebt, alles verkehrt verstanden? Müsste ich, nur um
als „echter Dom“ zu gelten, ebenfalls so rücksichtslos und grausam sein, eine
Anfängerin so verletzen und das alles unter dem Deckmantel angeblicher
„Erfahrung“ oder dessen, was heutzutage als BDSM verkauft wird?
Was ich in letzter Zeit lese, sehe und höre, lässt mich zweifeln. Zweifel daran,
ob ich überhaupt noch als Dom zähle, weil ich eben nicht zerstöre, sondern
aufbaue. Ich möchte meine Sub nicht überfordern, sondern sie schützen,
ihr Sicherheit geben, ihre Unsicherheiten nehmen und sie dabei bestärken,
ihre Lust zu entdecken. Mir geht es darum, Neugierde zu wecken, Vertrauen
zu entwickeln, gemeinsam zu wachsen, eine Umgebung zu schaffen, in der
sich meine Sub wirklich wohl und geborgen fühlt. Für mich bedeutet BDSM Nähe,
Wertschätzung, das Gefühl, aufgefangen zu werden, loslassen zu können.
Doch ist das alles heute überhaupt noch etwas wert? Haben solche Werte noch
einen Platz? Oder muss ich mich als Dom heute selbst verleugnen, mich zum
Egoisten und Gewalttäter machen, um von anderen anerkannt zu werden?
Ist Empathie, Rücksicht, Verantwortungsbewusstsein inzwischen nebensächlich
geworden?
Wenn das, was ich gesehen habe, ernsthaft die „Leitkultur“ im BDSM werden soll,
dann möchte ich kein Teil davon sein. Ich will keine Menschen als Wegwerfartikel
behandeln, niemanden zum bloßen Objekt meiner eigenen Launen machen. Ich
will keine leeren, blutigen Hüllen, keine kalte Distanz und trotzdem werde ich dafür
verspottet, als „Weichei“, als „Möchtegern-Dom“, nur weil ich mein Gegenüber als
Mensch betrachte.
Manchmal frage ich mich wirklich, wie man da nicht an sich selbst und an dieser
Szene verzweifeln soll. Wie seht ihr das? Was denkt ihr? Schreibt es in die Kommentare,
vielleicht hilft es, nicht das Vertrauen in das zu verlieren, was BDSM für mich immer
bedeutete: Respekt, Fürsorge und gelebte Leidenschaft, nie Gewalt um ihrer selbst willen.
In diesem Sinne.